Anorektale Inkontinenz (Stuhlinkontinenz): Ursachen und Behandlung

Unter anorektaler Kontinenz versteht man die Fähigkeit, Darminhalt (fest, flüssig, gasförmig) zu kontrollieren und zu einem Zeitpunkt und an einem Ort der Wahl zu entleeren. Diese komplexe Funktion des Körpers beruht auf einem Zusammenspiel verschiedener muskulärer, sensorischer oder anatomischer Strukturen und Mechanismen. Man spricht daher beim End- und Mastdarm, dem Schließmuskel- und Beckenbodensystem auch vom Kontinenzorgan. Eine Einschränkung dieser Funktion wird als Inkontinenz bezeichnet.

Verständlicherweise werden Symptome der Inkontinenz von Patienten gerne verschwiegen, die psychischen und sozialen Folgen – bis hin zu weitgehender Isolation – sind erheblich.

Die Schweregrade einer Stuhlinkontinenz teilt man grob in 3 Stadien ein:

  • Inkontinenz I: Winde (Darmgase) können nicht kontrolliert werden
  • Inkontinenz II: unwillkürlicher Abgang von flüssigem Stuhl
  • Inkontinenz III: normal geformter Stuhl kann sich unwillkürlich entleeren

Ursachen anorektale Inkontinenz

Die Ursachen einer anorektalen Inkontinenz können sehr vielfältig sein. Das Spektrum reicht von Störungen des zentralen Nervensystems über Störungen der peripheren Nerven des Beckens, Diabetes mellitus, Folgen von Verletzungen der Beckenboden- und Schließmuskulatur (Geburtsschäden, Unfall, OP-Folge) bis hin zu Tumoren des Mastdarms und des Analkanals und altersbedingter Schließmuskelschwäche. Auch eine Obstipation (Verstopfung) mit Bildung von Kotsteinen im Mastdarm kann zu einer sog. Überlauf-Inkontinenz führen.

Diagnostik anorektale Inkontinenz

Für die Diagnose „anorektale Inkontinenz“ ist die Erhebung der Anamnese (Symptombild und Vorgeschichte) entscheidend, wobei explizit nach Verkürzung der sog. „Vorwarnzeit“, Wäscheverschmutzung, Tragen von Vorlagen etc. und die Häufigkeit dieser Ereignisse gefragt werden sollte. Zur Einschätzung des Schweregrades der Inkontinenz kann ein sog. Score („Symptomliste“, hier z. B. Kontinenz-Score der Cleveland Clinic) verwendet werden.

Notwendig sind bei Verdacht auf anorektale Inkontinenz die proktologische Basisuntersuchung (Inspektion, Tastuntersuchung, Rektoskopie, Proktoskopie, Analmanometrie). Neben der Abklärung des Dickdarms durch eine Koloskopie (falls noch nicht in letzter Zeit erfolgt) empfiehlt sich eine MR-Defäkografie (Kernspintomografie/MRT), insbesondere bei begleitender Rektozele (s. ODS und Rektozele) und Verdacht auf inneren Rektumprolaps. Die Endosonografie (Ultraschall) des Analkanals und des unteren Mastdarms gibt Auskunft über die Beschaffenheit der Schließmuskulatur und ihrer Umgebung, deckt Narbenbildungen, Fisteln und Infekte sowie Defekte auf. Gynäkologische und – wegen der oft gleichzeitig bestehenden Blasenschwäche – urologische Untersuchungen sind sinnvoll.

Therapie anorektale Inkontinenz

Die Therapie der anorektalen Inkontinenz richtet sich nach den aufgedeckten Ursachen und dem Schweregrad der Inkontinenz.
So steht bei Patienten mit anorektalen Kontinenzproblemen aufgrund eines Reizdarmsyndroms oder einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung primär die Behandlung der Grunderkrankung und Maßnahmen zur Erreichung einer festeren Stuhlkonsistenz im Vordergrund.

Bei nachgewiesener Schließmuskel- und Beckenbodeninsuffizienz wird zunächst neben Maßnahmen zur Stuhlregulierung ein sog. Biofeedback-Training mit EMG-getriggerter mittelfrequenter Elektrostimulation durchgeführt. Bei Versagen dieser konservativen (nichtoperativen) Therapie besteht die Möglichkeit, durch einen kleinen Eingriff eine Elektrode an die Kreuzbeinnerven zu implantieren zwecks Sakralnervenstimulation. Bei dieser Therapiemethode wird eine Stimulation der zum Beckenboden und Enddarm führenden Nerven mittels eines Schrittmachers vorgenommen.